Ausgangsmaterial von "Sobibór" ist das letzte Interview, das Claude Lanzmann anno 1979 in Israel
während der Dreharbeiten zu seinem Film neuneinhalbstündigen "Shoah" führte. Erst
später, im Verlauf der Montage, wurde ihm bewusst, dass Yehuda Lerners Geschichte einen eigenen Film
erfordere. "Shoah" ist ein filmisches Zeugnis über die Vernichtung: "Sobibór" ein
geradezu fröhliches, von ununterdrückbarem Freiheitsdrang und unerschöpflicher Vitalität
durchdrungenes Werk. ![]() |
Claude Lanzmann: "Ich bin überzeugt, dass es gerade für die Deutschen wichtig und interessant ist, einen Juden wie Yoshua Lerner zu sehen, der darauf bestanden hat, wieder ein Subjekt zu werden und gegebenenfalls als Subjekt zu sterben. Der Holocaust war ja nicht nur ein Massaker an Unschuldigen, sondern vor allem an wehrlosen Menschen. Vor diesem Hintergrund ist der Augenblick, in dem dieser sechzehnjährige Junge im Konzentrationslager die Axt erhebt und einen deutschen Offizier tötet, für mich ein mythischer Moment. Yoshua Lerner lebt heute übrigens in Israel. Was er erzählt und wie er als Mensch, der zuvor nicht einmal daran gedacht hatte, jemanden zu töten, zur Waffe greift, hat auch sehr viel mit den Wurzeln des heutigen jüdischen Staates zu tun." [haGalil onLine 17-05-2001] |
Claude Lanzmann wurde am 27. November 1925 in Paris geboren. Er schloss sich als Gymnasiast der Résistance an und
kämpfte später unter anderem in der Auvergne im Untergrund. 1947 dissertierte er in Philosophie
(über Leibnitz) und unterrichtete danach an der FU Berlin. In den Fünfzigerjahren gehörte er zum
engen Freundeskreis um Jean-Paul Sartre und Simon de Beauvoir, wurde Mitarbeiter, später Herausgeber der
Monatszeitschrift Les Temps Modernes; sein Engagement gegen die französische Politik in Algerien fand 1970
in seiner ersten Filmarbeit (dem Drehbuch zu "Elise ou la vraie vie" von Michel Drach) auch
künstlerisch Ausdruck. Sein Film Shoah wird seit seiner Uraufführung 1985 als ein grundlegendes Werk
und als großes kinematographisches Ereignis betrachtet. Er erhielt die höchsten Auszeichnungen und
Preise auf zahlreichen Festivals.