/ "Vertreibung" an Kalk Post /


Der folgender Text stammt aus einem fnb-Flugblatt zu einer "Reclaim Kalk-Post"-Aktion am 6.12.2003. Bilder der Aktion folgen in Kürze...

KALK FÜR ALLE!

Erinnern Sie sich noch, wie Anfang 2002 der Kalker Postplatz von der Stadt umgebaut wurde? Mit der Begründung „Angsträume, Schlupfwinkel und Schmutzecken“ abbauen zu wollen, warb die Stadt Köln in einer Postwurfsendung für die Neugestaltung des Platzes, der fortan „zum Verweilen einladen“ sollte.

Doch wer soll hier verweilen? Wohnungslose oder DrogenkonsumentInnen, für die öffentlicher Raum als alltäglicher Begegnungs- und Aufenthaltsort, als Ort des (Über-)Lebens funktioniert, zählen nicht dazu. Sie werden mit Hilfe unbegründeter Platzverweise der Polizei gewaltsam vertrieben, um Platz zu schaffen für die vermeintlichen Bedürfnisse der (normgebenden) Mehrheitsgesellschaft, für die öffentlicher Raum als Ort der Präsentation und des Konsums dient. Schließlich muss sich dort spätestens bei der Eröffnung des neuen Einkaufszentrums „City-Forum“ das geeignete Publikum wohlfühlen.

Tatsächlich hatte die Stadt mit der Neugestaltung des Platzes mehr im Sinne, als nur einen Beitrag zur „Verschönerung des Stadtteils“ zu leisten. Das Untersagen des Spritzentausches (mit fachgerechter Entsorgung) sowie Essensverteilung eines Drogenselbsthilfevereins, der Abbau sämtlicher Sitzmöglichkeiten auf dem Postplatz, verstärkte Kameraüberwachung und Sicherheitskontrollen oder die Anordnung von Fassadenverschönerung für Häuser in den umliegenden Straßen zeigen, dass Kalk ein neues Image erhalten soll: Kalk soll zu einem sauberen, attraktiven Einkaufs- und Erlebnisparadies werden. Schon jetzt müssen kaufschwächere Schichten ihre Wohnungen aufgrund steigender Mietpreise aufgeben und weiter in die Peripherie ziehen. Der Stadtteil Kalk soll einen Schritt näher an die Kölner Innenstadt rücken... wofür Menschen weichen müssen!

Es handelt sich bei den Vertreibungspraktiken aber keineswegs um ein bloß „von oben“ angeordnetes Konzept, das gegen den Willen oder gar den Widerstand nennenswerter Teile der Bevölkerung durchgesetzt werden müsste. Im Gegenteil, das Konzept trifft bei vielen auf Gleichgültigkeit, aber auch auf Sympathie und Zustimmung. Einigen reicht das Vorgehen von Stadt und Behörden nicht einmal aus. Sie versuchen, zum Teil in Bürgerinitiativen, Druck auf die Behörden auszuüben, Lobbyarbeit in „ihrem“ Viertel zu betreiben und Stimmung gegen diejenigen Personen und sozialen Gruppen zu machen, die aus „ihrem“ Viertel „verschwinden“ sollen. Mit beschränktem Blick und einem panischen Sicherheitsbedürfnis fordern und fördern sie die Vertreibung bestimmter sozialer Gruppen, die in ihren Augen Unsicherheit bzw. Bedrohung darstellen... aus ihrem Blickfeld. Sie vereinfachen komplexe gesellschaftliche Wirklichkeit, indem sie meinen, dass mit der Vertreibung von DrogengebraucherInnen das ganze Problem von Illegalisierung und Kriminalisierung aufgrund der vorherrschenden Drogenpolitik gelöst sei. Jedoch fängt das Problem der Marginalisierung nicht erst mit einer restriktiven Drogenpolitik an, sondern bereits dort, wo sich BürgerInnen zusammenschließen um mit Angst schürenden Parolen gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen zu hetzen.

Nichts von dem nehmen wir hin! Der Postplatz bleibt öffentlicher Raum für alle! Statt ständiger Konkurrenz und einer Interessenspolitik in den Grenzen des eigenen Gartenzauns, wollen wir eine solidarische Gesellschaft. Wir treten ein für ein Recht aller auf Luxus und Wohlstand, frei von Zwängen wie dem zur ständigen Selbstverwertung, Drogenverboten oder gar der Trennung nach sozialem Status.

ALLEN SOLL ES DUFTE GEHEN!

Warum Essen umsonst?

Weil es lecker ist. Nicht aber, um unseren karitativen Großmut auszuleben, sondern eben aus Protest.

Im Kapitalismus wird Gemüse, Kleidung, Wohnung und alles andere zur Ware. Dies wirkt auf den ersten Blick banal, ist es aber gar nicht: lebensnotwendige Dinge sind nicht frei zugänglich, sondern nur im Tausch zu haben gegen andere Waren, Arbeitskraft oder eben Geld dem allgemeinen Äquivalent zur Verrechnung all dieser Dinge. Stalins Satz „wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ ist keine abstruse Grausamkeit, sondern ganz normaler Teil einer Logik des Tauschs. Diese Logik ist aber gar nicht logisch, sondern zutiefst irrational. Rational wäre es, festzustellen, dass es schon lange die Möglichkeiten gibt, die Grundbedürfnisse aller Menschen zu befriedigen. Die fortgeschrittene Industrialisierung ermöglicht dies sogar bei geringerem Arbeitseinsatz.
Statt die verbleibenden Tätigkeiten auf alle zu verteilen, gibt es trotzdem den gesellschaftlichen Zwang, zu arbeiten. So kommt es, dass ein Teil der Gesellschaft die ganze Zeit arbeitet möglichst noch 6 Tage die Woche - , während andere als „arbeitslos“ stigmatisiert und von gesellschaftlichem Reichtum ausgegrenzt zusehendst verelenden. Das ist alles ganz und gar nicht rational gemessen an den Möglichkeiten menschlicher Emanzipation.

Wir verteilen hier also kein Essen im Sinne einer karitativen Aktion für die Hungrigen dieser Welt, sondern als Protest gegen diesen ganzen
O Quatsch
O Irrsinn
O kapitalistischen Verwertungszwang
O Kokolores
Dass Menschen von öffentlichen Plätzen vertrieben werden ist Teil der gleichen „Logik“. Ungehorsam gegen die herrschenden Verhältnisse fängt an mit einer Praxis der Aneignung. Öffentliche Plätze nehmen wir uns, vertreiben lassen wir uns nicht zumindest nicht für lange.