/ Weidenpesch: kritik von food not bombs /

Der Staat, die Medien, Bürger und das Märchen von der Integration

einige Anmerkungen zum Flugblatt "Keine Massenunterkunft in der Pallenbergstraße"

Der Versuch einer solidarischen Kritik
An dieser Stelle möchten wir als food-not-bombs-Gruppe eine Kritik explizieren, die im Artikel auf indymedia, der mit KMII unterschreiben ist, diffus "den Antideutschen" bzw. dem LC-Cafe zum Dienstag zugeschrieben wird. Weder bezeichnen wir uns antideutsche Gruppe, noch meinen wir, dass politische Kritik als persönlicher Angriff verstanden werden sollte. So klingt es aber, wenn auf inhaltliche Kritik mit lapidaren Bemerkungen wie "Man macht lieber die an, die was tun weil man selber nix auf die Kette kriegt." (vgl. indymedia-Beitrag) reagiert wird. In unser gemeinsamen Vorbereitung des antirassistischen Grenzcamp, so dachten wir, hatten wir schon einmal eine Ebene der inhaltlichen Diskussion über Rassismus und politische Perspektiven in Richtung eines emanzipatorischen Antirassismus erreicht. An diese Diskussionen möchten wir gerne anknüpfen, indem wir einige Denkfiguren, die in Aufruf und Flugblatt offenbar werden, problematisieren. Dabei sind wir uns bewusst, dass es durchaus nicht einfach ist, in derartige Konflikte zu intervenieren. Erfahrungen haben wir selber bei der Erstellung des Flugblatts für die Auftakt-Demo zum Grenzcamp in Poll sammeln können.

80.000.000 Hooligans

"Und wieder schreiben die führenden Medien, was Politik und Ausländeramt diktieren. Sollen wir - die Bevölkerung - für dumm verkauft werden?"
Wir -die Bevölkerung. Die da oben - die uns verhetzen. Die Flüchtlinge - die Opfer.
Mit einem solchen Rassismusverständnis als der Herrschaft der bösen Männer in Politik, Medien lässt sich unserer Meinung nach kein Blumentopf gewinnen.
So ist dann "Rassismus" die Angst des dummen Bürgers, aufgehetzt von Politikern und Medien. Der gemeine Weidenpescher selbst ist in diesem Falle nicht rassistisch, die Brandstifter sitzen bei DuMont und in der Politik - rassistische Hetze von oben, um von der eigenen Korruptheit abzulenken.
Ein Teil dieser Darstellung ist nicht falsch: sicher gibt es auch institutionell geschürten Rassismus und die Klau-Kids Kampagne spielt dort zweifellos eine unrühmliche Rolle. Den bürgerlichen Widerstand gegen ein Flüchtlingswohnheim sich aber nur so erklären zu wollen, scheint uns ein verkürztes Verständnis davon zu sein, was für eine Struktur Rassismus ist und wie sie funktioniert - nämlich nicht nur als von oben instruierte Spaltung der sonst in Harmonie lebenden kleinen Leute.
Sich an diese Menschen so undistanziert anzunähern ist Populismus von links, der sich auch in Bonmots äußert wie "Politiker spielen den "starken Mann", wenn sie nach geschlossenen Heimen und anderen drastischen Maßnahmen schreien - um davon abzulenken, wie sie hinterrücks Sozialausgaben kürzen, Jugendeinrichtungen schließen und korrupterweise Millionen in die eigenen Taschen wirtschaften". Dass der Sozialkahlschlag "hinterrücks", quasi heimlich, stattfindet muss an uns vorübergegangen sein.
Diese Darstellung erfüllt aber ihren Zweck: Ein Bild wird geschaffen von einigen kleinen Leuten und der sie kontrollierenden Elite. Die Sorgen und Ängste der Bevölkerung werden nicht kritisiert, sondern versucht, auf ein anderes Objekt zu projizieren - frei nach dem Motto: "Schlagt die Bonzen, nicht die Ausländer."
"Wer die Sorgen des Rechtspopulisten ernst nimmt, hat schon verloren." - So das Fazit des Hamburger ordnungswidrigen Land in Sicht Camp gegen autoritäre Formierung (http://www.nadir.org/nadir/kampagnen/landinsicht/). Diese Herangehensweise reflektiert den notwendigen Perspektivenwechsel. Während eine Diskussion um die mehr oder weniger berechtigten Sorgen der ansässigen SpießbürgerInnen verhaftet bleibt in der Vorstellung, es gäbe ein objektivierbares, äußeres Problem, macht die Verneinung dieser Form des Dialog klar: das Problem ist er selbst und die autoritäre Formierung in ihm. Das heißt nicht, dass der Dialog nicht zu suchen wäre, im Gegenteil, die Menschen mit ihren Ängsten und irrationalen Vorstellungen zu konfrontieren und ihr schlechtes Leben zu kritisieren ist höchst löblich. Sich aber in diesen Dialog einzukaufen durch eine Bestätigung der rassistischen Ängste halten wir für schäbig, und es verkennt auch die Funktion, die diese Ängste haben, die sie auch notwendig machen. Mit rationalen Argumenten über Arbeitsfreudigkeit von MigrantInnen ist völkischem Rassismus allein deshalb nicht beizukommen, weil ein Äußeres gebraucht wird, auf das Ängste und Gefühle der Bedrohung projiziert werden können. Was sich mit dieser Strategie maximal erreichen lässt, ist die Einsicht, dass ja nicht alle MigrantInnen so faul seien und es da Ausnahmen gäbe.
Andererseits lernen wir im Flugblatt, Flüchtlinge seien "gezwungen, den ganzen Tag untätig rumzuhocken" und kämen deswegen "schon mal auf dumme Ideen". Vielleicht haben wir andere Bezugspunkte, aber die Menschen, die wir kennen, die um Aufenthalt, gegen Kriminalisierung, gegen rassistische BürgerInnen tagtäglich kämpfen, machen auf uns gar keinen so untätigen Eindruck. Damit aber ein soziales Phänomen wie Kriminalität erklären zu wollen - statt z.B. mit der ökonomischen Marginalisierung -, lehnen wir ab. Wenn schon eine eindimensionale Erklärung herangezogen werden soll, dann erscheint es doch um einiges plausibler, dass Menschen aus ökonomischer Not klauen, als dass Langeweile daran schuld wäre.
In der Vorbereitung des Grenzcamps gab es auch den Plan, uns nicht immer nur hinter unserem humanistischen Antirassismus zu verstecken, sondern durchaus dazu zu stehen, wer wir sind: und da muss dann auch Kriminalität anders thematisiert werden statt als Drohgespenst der schiefen Bahn. Eine Glorifizierung der Strukturen, in denen dies stattfindet, wird es auch nicht sein, aber vielleicht ein dezenter Hinweis darauf, dass auch in unserer Utopie das Eigentum nicht die heilige Kuh ist, die über das Wohlergehen der Individuen zu stellen ist.
Natürlich, und das sehen wir durchaus ein, gibt es etwas jenseits der wahren Lehre und der Dialog mit der Bevölkerung kann durchaus auch taktischen Erwägungen gemäß geplant werden. Was wir versuchen zu erklären ist, warum wir glauben, dass die Art und Weise, wie dies in Weidenpesch geschehen ist, auch taktisch nach hinten losgeht. Kurz: würden die Anbiederungen an den Bürgermob Erfolg versprechen, dann hätten wir Bauchschmerzen, aber würden die Überlegung verstehen. Wir glauben aber, dass alle schlechten Angewohnheiten von Gewohnheitsdeutschen - "die anderen sollen sich integrieren, ich komm von hier", "Ausländer hocken den ganzen Tag untätig herum" - mit diesen Argumenten verstärkt werden.

Integrier mich am Arsch (kanak attak)
"Oft wird den Flüchtlingen vorgeworfen, sie würden sich nicht in die hiesige Gesellschaft integrieren. Dabei ist genau das der sehnlichste Wunsch der Flüchtlinge. Dabei ist genau das der sehnlichste Wunsch der Flüchtlinge. Sie wollen in ganz normalen Wohnungen leben, ihr Geld selber verdienen und genauso leben, wie die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland."
Dass es der sehnlichste Wunsch aller Flüchtlinge ist, sich in die biodeutsche Mehrheitsgesellschaft zu integrieren, das wagen wir zu bezweifeln. Aber diese empirische Diskussion lohnt sich auch gar nicht zu führen, geht es uns eigentlich eher um einen inhaltlichen Punkt: Rassismus funktioniert als Prinzip des Ein- und Ausschlusses aber auch darüber, wer Normen setzen kann, wer "normal" ist, welche Kategorie unmarkiert bleiben kann. Eine politische Strategie, die diesem Rassismus entgegentreten will, müsste auch diese impliziten Setzungen angreifen und nicht versuchen, den Sympathiewert von Flüchtlingen darüber zu steigern, ihnen zu unterstellen, sie wollte alle so sein wie Deutsche - damit wird die Setzung, dass dieses Deutsche, diese Gesellschaft, dieses Leben das einzig Zugelassene ist, einfach übernommen und reproduziert.
Deshalb ist die unserer Meinung nach richtige Forderung nicht die nach Integration, sondern die nach Rechten oder - mit den Worten der Gesellschaft für Legalisierung - nach einem Recht auf Rechte, nach universellen Bürgerrechten für jede Person überall, unabhängig davon, wie integriert sie ist oder nicht. Die Forderung schließt natürlich auch ökonomische Rechte, wie solche auf Zugang zu Wohnung und Arbeitsmarkt mit ein, ohne dabei behaupten zu müssen, dass es der "sehnlichste Wunsch" der Betroffenen sei, sich auf dem Arbeitsmarkt zu verkaufen.

Soweit unsere Kritik, die - wie schon erwähnt - nicht den Zweck hat, irgendwem ans Bein zu pinkeln, sondern die Diskussion innerhalb der Linken um Strategien und Perspektiven vorantreiben soll.

food not bombs - teilhaber der kölner dependance der gesellschaft für legalisierung