/ camp03soli-Gruppe /


Grenzcamp verklagt Kölner Polizei

6. antirassistisches Grenzcamp verklagt Kölner Polizei
Anzeige wegen Verfolgung Unschuldiger folgt

Kurz vor Ablauf der Klagefrist haben mitte Juli stellvertretend für 684 TeilnehmerInnen des 6. antirassistischen Grenzcamps vier Frauen Klage beim Verwaltungsgericht Köln gegen den Polizeipräsidenten eingereicht. Sie waren alle Opfer der polizeilichen Räumung am 9. August letzten Jahres geworden. Drei Klägerinnen waren in Gewahrsam genommen, in eine Polizeikaserne nach Brühl verbracht und dort erkennungsdienstlich behandelt worden.

Über eine Woche lang gab es im letzten Sommer Vorträge, Diskussionrunden, Demonstrationen und ideenreiche Aktionen gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung. Hunderte Menschen beteiligten sich an dem Camp auf den Poller Wiesen direkt unter der Südbrücke. Doch ein Tag vor dem geplanten Abschluss umstellte die Polizei mit mehreren Hundertschaften das Camp und zwang alle 684 auf dem Gelände befindlichen TeilnehmerInnen zur Abgabe ihrer Personalien. 307 Personen kamen der Aufforderung der Polizei vor Ort nach, 377 AktivistInnen, die sich weigerten, wurden in Gewahrsam genommen und in die Gefangenensammelstelle nach Brühl verbracht, wo dann die Identitätsfeststellung vervollständigt wurde.

Die vom Kölner Rechtsanwalt Reinecke verfasste Klageschrift beantragt nun festzustellen, dass die Einkesselung und Auflösung des als Versammlung angemeldeten und bestätigten Grenzcamps rechtswidrig war. Das Verbot, das Gelände zu betreten oder zu verlassen, die Datenerhebung aller TeilnehmerInnen wie auch die Ingewahrsamnahme sind demnach rechtswidrig gewesen. Somit wurden die Betroffenen u.a. in ihrem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verletzt.

Die Polizei hatte die Auflösung der Versammlung und alle weiteren Maßnahmen damit begründet, dass im Laufe des Grenzcamps über 80 Straftaten begangen worden seien. Vor allem deshalb sei eine Identitätsfeststellung zur späteren Strafverfolgung durchgeführt worden. Soweit die Rechtshilfegruppe des Grenzcamps und Rechtsanwalt Reinecke das Vorgehen der Kölner Polizei überschauen können, wurden dann auch mehrere hundert Ermittlungsverfahren gegen CampteilnehmerInnen eingeleitet. Der Vorwurf lautete pauschal Landfriedensbruch, Verstoß gegen das Versammlungsgesetz und gefährliche Körperverletzung. Oftmals begannen die Ermittlungsakten aber erst mit dem Antrag der Rechtsanwälte auf Akteneinsicht. Ein konkreter Verdacht fehlt bei den meisten Angeschuldigten. Die Justiz hat inzwischen fast alle Verfahren eingestellt. Darunter fallen auch die Strafverfahren gegen sieben CampteilnehmerInnen, die ihren Wohnsitz nicht in Deutschland hatten und deshalb für ihre Freilassung eine Sicherheitsleistung hinterlegen mussten.

Inzwischen ist eine Strafanzeige gegen die ermittelnden Polizeibeamten formuliert, die demnächst der Staatsanwaltschft zugehen wird. Der Vorwurf lautet Verfolgung Unschuldiger und wird mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 10 Jahre geahndet. Wie in der Anzeige formuliert, kann es nicht sein, dass die Polizei hunderte Menschen unter Generalverdacht stellt und ohne konkrete Anhaltspunkte Ermittlungsverfahren gegen sie einleitet, nur um im Nachhinein ihr eigenes rechtswidriges Verhalten gegenüber dem Grenzcamp vor der Öffentlichkeit zu rechtfertigen.

Insgesamt betrachtet, ist die Räumung des 6. antirassistischen Grenzcamps der abermalige Versuch gewesen, antirassistische Arbeit zu kriminalisieren. Menschen, die sich für MigrantInnen und offene Grenzen einsetzen, werden in einem System, das Abschottung und Abschiebungen praktiziert, als Bedrohung angesehen. Der rassistische Normalzustand in unserer Gesellschaft, der die Akzeptanz und damit erst die Durchführbarkeit von diskriminierenden Zwangsmaßnahmen gegen Nichtdeutsche schafft, darf nicht gestört werden. Dafür wird auch Recht gebeugt und gebrochen. Die Klage und die Strafanzeige sind der Versuch, dem auf juristischer Ebene zumindest für die Zukunft Schranken aufzuzeigen. Der politische Wille zu rassistischem Verhalten und rassistischer Politik wird dadurch nicht beeinflusst.

6. antirassistisches Grenzcamp / camp03soli-Gruppe