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Gegen Kontrollstaat und rassistische Sondererfassung



Es war einmal und ist leider immer noch...

Das AZR ist das zentrale Instrument der rassistischen Sondererfassung aller als ‚nicht deutsch' kategorisierten Menschen in der BRD. Es speichert Daten über alle in Deutschland lebenden Ausländer, ggf. auch deren Verwandte, Kontakte. Weiterhin beinhaltet es Informationen über sonstige Menschen ohne deutschen Paß, die einmal mit deutschen Behörden in Berührung gekommen sind. Es macht diese Daten einer Reihe von anderen Institutionen (BGS, Ausländerbehörden, Zoll, Justiz, Arbeitsämter, Geheimdienste und Polizei) zugänglich und dient so als einer der zentralen Netzknoten der staatlichen Sicherheitsorgane. Die verschiedenen Zugriffsrechte sind gesetzlich festgelegt im Gesetz über das Ausländerzentralregister (AZR) vom 1.Oktober 1994. Obwohl das AZR erst mit diesem Gesetz seine rechtliche Grundlage erhielt, existiert es seit 1953 als eine Abteilung des Bundesverwaltungsamtes in Köln. Bereits 1967 war es als bis dahin größte bundesweite Datei automatisiert, was die Zentralität dieser Institution zeigt. Obwohl das Bundesverfassungsgericht 1983 klargestellt hatte, daß eine solche Datenbank ohne gesetzliche Grundlage verfassungswidrig ist, beendete das AZR-Gesetz erst 11 Jahre später diese Lage im rechtsfreien Raum.

Fremd ist der Fremde nur....

Die Erfassung und Kontrolle von allem was "anders" oder "fremd" ist, ist jedoch nicht mit Gründung des AZR 1953 entstanden, sondern hat tiefe Wurzeln in der deutschen Geschichte. Bedrohungsszenarien von außen oder durch im Inneren ansässige "Fremdkörper" waren immer schon Anlässe für Selektion und Kontrolle. So beginnt die zentrale Erfassung von Ausländern mit der Ausländerpolizeiverordnung und der eingeführten Ausländerzentralkartei 1938. Die verschiedenen Statistiken und Einzelerfassungen dienten den Nationalsozialisten der Ausgrenzung sowie der rassistischen und antisemitischen Behandlung, der gewalttätigen Unterdrückung, der Vorbereitung von Deportationen und Vernichtung, aber auch der Effektivierung des Arbeitskräfteeinsatzes (z.B. der Zwangsarbeit) für die Vorkriegs- und die Kriegswirtschaft. Es wäre Geschichtsverfälschung und eine Verharmlosung des Holocaust, das AZR als direkte Fortsetzung der NS-Politik zu sehen. Es bleibt aber festzuhalten, daß die Konstruktion von Fremdheit, dessen Erfassung und Archivierung in Deutschland blutige Tradition hat, und das AZR ebenso auf Konstruktionen von "deutsch" und "nicht-deutsch" basiert.

Generalverdacht und nützliche Ausländer


Rassistisch ist das AZR nicht nur wegen der homogenisierenden Einteilung in "Ausländer", sondern vor allem auch wegen seiner Funktionalität für rassistische Politik. So dienten die AZR-Datensätze als Basis für die nach dem 11.9. initiierte Rasterfahndung - willkürlich wurden Gruppen nach Merkmalen wie "männlich, single, Student, Muslim" konstruiert und unter einen Generalverdacht gestellt. Um einer Straftat verdächtigt zu werden, braucht es dann keinen Bezug mehr zu der eigenen Person, sondern nur noch die Erfüllung der als Täterprofil angegebenen Daten. Ferner werden die Daten benutzt, um die restriktiv-rassisitsche Flüchtlingspolitik zu effektivieren - die Speicherung aller abgelehnten Asylanträge mit Begründung soll es erleichtern, Entscheidungen zu beschleunigen ohne nochmalige Prüfung der Fluchtgründe.
Im Rahmen der Debatte um Green Card und Zuwanderungsgesetz werden voraussichtlich auch die AZR-Daten vermehrt neue Funktionen erfüllen. In den ersten Jahren des AZR war der Gebrauch der Daten in Zusammenhang mit Arbeitsmigration vor allem noch ein sicherheitsorientiert-präventiver. So ging es darum, sicherzustellen, dass unter den aus Italien angeworbenen "Gastarbeitern" keine Kommunisten waren. Innerhalb der letzten Jahre ist auf der politischen Bühne ein rein völkischer Rassismus ("Arbeit zuerst für Deutsche") vermehrt durch einen Verwertungsrassismus ("Nützliche Ausländer und Computer-Experten statt Flüchtlinge) ersetzt worden. Das heißt, wer der deutschen Wirtschaft nützt, erwirbt damit das Recht auf Aufenthalt, rigoros sortiert nach Verwertungskriterien. Um diese gezielte Migration durchzusetzen, werden wohl einmal mehr die Datensätze des AZR von entscheidender Bedeutung sein. Die Vernetzung mit Arbeitsämtern, Sozialämtern und Institutionen an den Außengrenzen fügt sich so zusammen zu einer geölten Maschinerie der Verwertungsselektion.

Ein Teil des Ganzen


Das Bundesverwaltungsamt in Köln - Sitz des AusländerzentralregistersIn seiner tragenden Funktion für gesellschaftlichen Rassismus ist das AZR eine von vielen Sondermaßnahmen, denen rassistisch unterdrückte Menschen ausgesetzt sind. Andere sind Abschiebeknäste, BGS-kontrollen in Bahnhöfen, das Asylbewerberleistungsgesetz oder die für Flüchtlinge geltende Residenzpflicht, die es ihnen verbietet, den Landkreis, dem sie zugewiesen wurden, zu verlassen. So ist es auch nicht neu, dass im Rahmen der rassistischen Unterdrückung Pionierversuche für neue Kontrolltechniken angewandt werden. Die Einführung von Asylcards ist ein Beispiel, die Aufnahme von biometrischen Daten in Ausweise und AZR-Datensätze ein weiteres. DNA-Analysen werden inzwischen herangezogen, um vermeintliche Herkunftsländer von Flüchtlingen zu bestimmen - und damit einer Logik Vorschub geleistet, die erneut versucht, Herkunft zu biologisieren. Der Begriff Rasse wird ersetzt durch den der Übereinstimmung mit regional typischen Genpools.

Big Brother und Totalerfassung


Diese Tendenz zur Totalerfassung wird auch vor Menschen mit deutschem Pass nicht halt machen. Kameraüberwachung in den Innenstädten, DNA-Dateien als inzwischen normaler Teil kriminalpolizeilicher Arbeit, elektronische Krankenakten, Sozialhilfe-Cards sind Beispiele des Umbaus zur Überwachungsgesellschaft. Sicherheit wird im herrschenden Diskurs definiert als Anwesenheit von Kontrolle, nicht als Abwesenheit von Bedrohung. Dennoch sind Ausländer hier nicht nur Experimentierfeld für Techniken, die später sowieso auf alle angewendet werden, zumal die Konsequenzen für sie wesentlich schwerwiegender sind. Es gilt, die Funktionalität der Ausländererfassung für rassistische Selektion auch weiterhin zu beachten.

Seit dem 11. September ......


Die stetige Forcierung eines Kontrollstaats findet seit letztem Herbst noch weiter beschleunigt statt. Die eiligst verabschiedeten Sicherheitspakete I und II betreffen nicht nur die Ausweitung von Polizeirechten allgemein, sondern auch ganz konkret das AZR. Polizei, BGS, Zoll, Arbeitsämter, Staatsanwälte und Geheimdienste können nun auch ohne konkreten Verdacht oder Gefahr auf die Datenbanken des AZR zugreifen. Ferner sind die Sozialämter als Übermittlungsempfänger in den Datenverbund mit einbezogen - ein sehr deutliches Beispiel dafür, dass es hier nicht um Sicherheit oder gar "Terrorbekämpfung" geht, sondern um Kontrolle.
Die ausländerrechtliche Überwachung und Speicherung der Daten setzt nun bereits bei der Visumsbeantragung im Ausland ein, unabhängig davon, ob jemand in die BRD einreist oder nicht. Die Fingerabdrücke von Flüchtlingen sollen nach der Asylentscheidung künftig zehn Jahre gespeichert werden und vom Bundeskriminalamt automatisch mit dem polizeilichen Tatortspurenbestand abgeglichen werden - ein weiterer Teil des Generalverdachts gegen "Nicht-Deutsche". Des weiteren sollen neben dem Bild sowie den Angaben zur Person und Fingerabdrücken nun auch biometrische Merkmale, wie Hand- und Gesichtsform gespeichert werden. Die erhobenen Daten sollen alle maschinenlesbar und codiert auf den vorgesehenen Visa- und Aufenthaltsplaketten sowie in Ausweisersatzpapieren aufgenommen werden. Relevant wird dies nicht nur für Kontrollen und Behördenkontakte, sondern auch bei digitalem Bildabgleich im öffentlichen und halböffentlichen Raum. Bei komplett mit Kameras überwachten Bahnhöfen, Einkaufspassagen etc. könnte das Bild einer Person mit der AZR-Datei abgeglichen werden und bei Erfolg gleich alle über die Person gespeicherten Daten mitliefern. Diese Orwell'sch anmutende Vision ist keineswegs aus der Luft gegriffen, im Londoner Stadtteil Newham ist sie gängige Praxis. Hier werden ca. 200.000 EinwohnerInnen flächendeckend videoüberwacht. Mit derartigen Mitteln können auch die schon längst zur Routine gewordenen verdachtsunabhängigen Kontrollen des BGS an deutschen Bahnhöfen optimiert werden.

Gegen rassistische Erfassung vorgehen


Nicht nur die rassistische Erfassung und Selektion hat Tradition, sondern auch der Widerstand dagegen. So wurde das AZR 1986 Ziel eines Sprengstoffanschlags der Revolutionären Zellen (RZ). Viele Datenbestände wurden dabei zerstört und das AZR war mehrere Wochen außer Betrieb.
Unser Ziel bleibt es, die Sonderbehandlung von MigrantInnen deutlich zu machen und Widerstand dagegen zu formieren. Das diesjährige 6. antirassistische Grenzcamp in Köln hat sich als eines seiner zahlreichen Schwerpunkte das AZR auf die Fahnen geschrieben. Vom 31.7. bis zum 10.8. wird auf den Kölner Poller Wiesen darum gehen, Antirassismus zu verorten in einer generellen Kritik der Ökonomie und Kontrollmechanismen. Die drei Schwerpunkte " Kontrolle und Überwachung", "Arbeit und Verwertung", sowie "Abschiebung und Abschreckung" sollen nicht nur Grundlage strategischer und theoretischer Diskussionen sein, sondern konkret zur Intervention in den rassistischen Alltag anleiten. Für die theoretische und inhaltliche Fundierung wird dieses Jahr erstmals ein dreitägiges Auftaktforum unter dem Motto "Antirassismus ausbuchstabiert" stattfinden.
action speak louder than words...